„Wir wollen ein starkes Signal an den Markt senden!“

Möbelmarkt 06/2020

Die Möbelbranche hat in der Corona-Krise Stärke und Zusammenhalt gezeigt – das ist der Eindruck von Polipol-Chef Marc Greve.

Er sieht nun, da die Möbelgeschäfte wieder geöffnet sind und die Nachfrage wieder anzieht, die Branchenführer in der Pflicht, nach vorne zu schauen und mit dem Handel an Konzepten für die Zukunft zu arbeiten. Denn in der Krise hätten viele Unternehmen bewiesen, wie schnell und flexibel Industrie und Handel reagieren könnten, wenn sie zusammenarbeiten. MÖBELMARKT-Redakteur Arnd Schwarze sprach mit Marc Greve über die Herausforderungen der Zukunft und über die Bedeutung, jetzt eine starke Herbstmesse zu veranstalten.

MM: Herr Greve, zunächst mal das Positive vorweg – die Möbelhäuser sind wieder geöffnet, das Geschäft zieht an. Wie gut läuft es gerade?

Marc Greve: Wir hören aus dem Handel, dass die Frequenz zwar noch gering ist, aber dass die wenigen Kunden eine hohe Kaufbereitschaft haben. Psychologisch ist es natürlich schön, dass das Geschäft nach der Öffnung der Möbelhäuser Ende April und im Mai gleich wieder angezogen hat. Aber das ist auch nur eine Moment-Aufnahme. Niemand konnte im Mai das wieder aufholen, was im April verloren ging. Trotzdem müssen wir nach vorne schauen. Unsere Branche hätte auch im Oktober, also zu den ganz starken Monaten für die Möbelbranche, von dem Virus erwischt werden können. Glücklicherweise konnten wir auch die umsatzstarken ersten Monate des Jahres noch mitnehmen, der Virus kam dann zu den eher mauen Monaten. Insofern hätte es uns noch deutlich schlimmer treffen können, auch der Lockdown und damit die Schließung der Möbelhäuser hätte ja durchaus länger als sechs Wochen andauern können.

MM: Wie haben Sie in der Krise, vor allem während des Lockdowns, den Kontakt zu Ihren Kunden gehalten?

Greve: Wir haben immer den Kontakt zu unseren Kunden gesucht und gehalten. Das ist in so einer Situation ganz wichtig – zu wissen, wo der Hauptlieferant steht und was der für die Zeit nach dem Lockdown plant. Aber wir wollen jetzt auch ein starkes Signal in den Markt, an unsere Kunden senden, wie wir durch die Krise gekommen sind, wo wir heute stehen und was wir für die nächsten Wochen und Monate planen.

MM: Was haben Sie für einen Eindruck, wie Ihre Kunden die schwie- rige Zeit der Geschäftsschließungen gemeistert haben?

Greve: Wenn man es grundsätzlich sieht, schlägt sich unsere Möbelbranche, so finde ich, ziemlich gut. Natürlich ist es hart, darüber brauchen wir nicht zu reden. Auch nicht darüber, dass dies kein Traumjahr mehr werden wird. Aber wenn man sieht, was sich viele Kunden einfallen lassen, um noch ein Geschäft in dieser schwierigen Zeit zu machen, ist das beeindruckend. Gerade im Bereich der Digitalisierung. Es scheint fast so, dass wir diesen Anstoß gebraucht haben und bei dem ein oder anderen eine Aufbruchstimmung da ist, neue Konzepte auszuprobieren.
Die Gespräche mit unseren Kunden in den letzten Wochen waren enorm positiv, gerade was diese Themen angeht. Da gab es eine große Bereitschaft, sich im Online-Bereich zu engagieren, die Digitalisierung voranzutreiben, gerade auch in den Prozessen – wir müssen dahin kommen, dass für einen Auftrag das Blatt Papier gar nicht mehr in die Hand genommen werden muss, sondern dass wir einen digitalen Workflow von der Planung einer Kommission bis hin zur Einsteuerung dieses Auftrages in die Produktion hinbekommen. Das beschleunigt den gesamten Prozess bis zur Auslieferung ungemein, was gerade jetzt wichtig ist. Denn je schneller ein Auftrag an den Endkunden ausgeliefert werden kann, desto schneller wird dieser auch bezahlt und sorgt für Liquidität beim Handel und beim Hersteller. In der Möbelbranche haben wir da noch Nachholbedarf – und eben auch noch so viele Möglichkeiten, besser zu werden. Ich bin mir sicher, dass sich jetzt in der Phase der Konzentration, die wir seit einiger Zeit schon haben, am Umgang mit diesen Möglichkeiten zeigen wird, wer langfristig die Gewinner und wer die Verlierer dieser Situation sein werden. Das hat noch nicht mal was mit klein oder groß zu tun, sondern es werden jetzt die Firmen gewinnen, die nach vorne gehen und genau diese Lösungen für die Kun- den in allen Bereichen schaffen.

MM: Was tun Sie, um Ihre Kunden bei der Umsetzung solcher Konzepte zu unterstützen?

Greve: Unser Lieblingsthema ist natürlich die digitale Vermarktung, bei der wir unsere Flächenkonzepte im Handel mit dem Konfigurator versehen. Wir haben dieses Planungssystem inzwischen sogar onlinefähig gemacht! Die Online-Planung steht heute ganz anders im Fokus, weil viele Kunden möglichst erst dann ins Möbelhaus gehen, wenn sie wirklich den Verkaufsabschluss tätigen wollen. Sie informieren sich, planen den Kauf zu 80% online und gehen dann für die finale Beratung in das Möbelhaus. Deswegen ist es wichtig, dem Handel ein Planungs-Tool an die Hand zu geben, mit dem der Kunde zuhause online die Vorauswahl und erste Planung tätigen kann, bevor er dann zur Finalisierung ins Möbelhaus kommt – theoretisch könnte man darüber sogar einen Online-Bestellprozess auslösen. Entsprechend müssen wir dafür sorgen, dass all das Marketing, das es im stationären Handel gibt, 1:1 auch online zu sehen ist – und umgekehrt. Wir glauben, dass wir als Branche diesen Mix aus stationär und online brauchen und dass diejenigen, die online gut aufgestellt sind, in den letzten Wochen ein noch besseres Geschäft gemacht haben. Zudem denke ich, dass es in der Zukunft Kunden geben wird, die eine Videoberatung oder Besuche des Händlers bei sich zuhause bevorzugen werden, weil sie eben auch längerfristig mehr Abstand halten wollen – weil sie zu einer Risikogruppe gehören. Der Corona-Virus wird uns vermutlich ja noch eine Weile begleiten, da müssen wir uns auch dauerhaft auf solche Konzepte einstellen.

MM: Sie haben eben schon die nä- here Zukunft angesprochen – da denkt man natürlich als Erstes an die M.O.W. und die Hausmessen, aber letztlich auch schon an die imm cologne. Wie sehen Ihre konkreten Pläne dafür aus?

Greve: Wir haben alle Abteilungen, die konkrete Projekte hatten und nicht vom Tagesgeschäft abhängen, komplett weiterarbeiten lassen. Das betrifft vor allem die Modellentwicklung, wo wir sowohl für die M.O.W. als auch für Köln viele komplett neue Modelle zeigen, auch mit ganz neuen Funktionen. Der Kunde kann entscheiden, ob er jetzt schon neue Ware ordern möchte oder erst in Köln – wobei wir auch dort wieder Neuheiten zeigen werden, die es auf der Hausmesse noch nicht gab, alles andere macht für uns keinen Sinn. In der Kölner Messe mit ihrer medialen Strahlkraft und den Endverbrauchertagen liegt auch eine Riesen-Chance für die Branche. Die Menschen beschäftigen sich jetzt wieder mehr mit Einrichtung, und mit so einer Leitmesse können wir die Verbraucher erreichen und unsere Themen transportieren.

In dem Zusammenhang bin ich übrigens total froh, dass unsere ganzen Mitarbeiter alle voll mitziehen! Da sieht man erst einmal, was man für eine Mannschaft hat. Das setzt auch positive Energie frei. Es gibt eben im Moment keinen Plan, wie man mit welchen Problemen umgeht, vieles geschieht auf Zuruf. Umso wichtiger ist es, auch mit unseren Kunden regelmäßig zu kommunizieren. Denn auch die brauchen im Moment Sicherheit für ihr Geschäft. Sie wollen auf Lieferanten setzen, die sicher sind, wollen wissen, wie wir planen und denken in dieser Situation. Der Handel muss sehen: Wir sind da! Mit der Hausmesse wollen wir jetzt eine wichtige Plattform schaffen, um die Kunden mit Informationen und neuen, verkaufsstarken Produkten zu versorgen. Natürlich hilft es, dass das Geschäft im Moment gut angelaufen ist. Da ist die Motivation vorhanden, neue Dinge anzufassen.

MM: Wie werden sich die Konzepte, die Sie eben angesprochen haben, auf der Hausmesse widerspiegeln?

Greve: Die werden natürlich neben den neuen Modellen stark in den Mittelpunkt rücken – auf der Hausmesse, aber übrigens auch in Köln, wo wir einen ganz neuen Auftritt planen, der mehr auf Wohnwelten, Konzepte und Internationalisierung setzt als bisher.

In Diepenau haben wir auch in den vergangenen Jahren schon unseren Konfigurator in den Mittelpunkt der Präsentation gestellt. Und hier haben wir auch die Zeit und die Möglichkeit, mit den Besuchern unserer Hausmesse in der nötigen Ruhe und Ausführlichkeit über diese Themen zu sprechen. Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig solche Tools – gerade mit Online-Anbindung – zukünftig für eine erfolgreiche Vermarktung sein werden.

MM: Aber dafür muss der Handel ja auch die Strukturen schaffen – beispielsweise die Logistik, um die Ware dann zum Endkunden zu bringen. Oder die verschiedenen Online- Plattformen – ich muss dort aktiv sein, wo meine Kunden mich finden wollen, ob stationär, online oder mobil. Echtes Multichanneling eben.

Greve: Vollkommen egal, wo – ich muss dort sein. Sie haben völlig recht. Doch wenn nicht jetzt, wann dann? Wir haben in der Zeit der Pandemie doch gemerkt, wie essenziell, ja sogar überlebenswichtig es sein kann, sich hier neben dem stationären Geschäft gut aufzustellen. Und nochmal – es geht ja nicht nur um die digitale Planung, sondern auch um die Prozesse, die dahinterstehen und den gesamten Workflow beschleunigen. Also auch die Datenübermittlung über EDI (Electronic Data Interchange). In Bezug darauf kann ich nur feststellen: Was für uns vor Corona wichtig war, ist für uns auch nach Corona wichtig! Wir haben aktuell die einmalige Chance, innerhalb der Branche Probleme anzugehen, die es auch vorher schon gab, die aber bei einigen nicht weit genug oben auf der Agenda standen. Nehmen Sie die Logistik – hier hat die Möbelbranche seit Jahren das Problem, genug Fahrer zu finden, da im Gegensatz zu anderen Branchen die Fahrer ihre Lkws selbst entladen müssen, oft ohne Unterstützung des Empfängers. In der Corona- Krise zeigte sich plötzlich, dass das auch anders geht. Da durften unsere Fahrer ihre Kabine gar nicht mehr verlassen, die Ware wurde vom Empfänger entladen, um auch dessen Mitarbeiter zu schützen. Über solche Dinge werden wir mit unseren Kunden auch in der Zukunft ganz partnerschaftlich weiter reden, um die Lage für alle zu verbessern.

MM: Können Sie noch etwas konkreter sagen, wie die Herbstmesse bei Ihnen ablaufen wird? Ab wann wird es losgehen, ab wann sind Sie präsentationsbereit?

Greve: Da werden wir ganz flexibel sein. Aber im Prinzip zählt bei uns natürlich der M.O.W.-Termin. Wir haben allerdings immer schon Anmeldungen gehabt, die davor lagen und wir werden das ganz flexibel mit unseren Kunden besprechen. Bei der Größe unserer Hausmesse haben wir ja keine Probleme mit der Frequenz. 
Wir haben schon immer versucht, die Besuche auf zwei Wochen aufzuteilen, so dass wir auch Zeit haben für unsere Kunden. Wenn jemand nach Diepenau kommt, dann möchten wir uns individuell um ihn kümmern, Zeit haben, uns miteinander zu unterhalten. Das wird auf diesen Messen wieder wichtig, das haben wir in den letzten Wochen alle vermisst. Und da ist es eben immer schlecht, wenn zuviel los ist. Eine ausführliche Führung bei uns dauert vier bis sechs Stunden, die Zeit muss man sich nehmen. Jeder hat aber im Moment auch eine andere Denkweise, der eine möchte das so, der andere so, da werden wir auf jeden Fall Lösungen finden. Und wenn wir zwei Wochen vor der Messe präsent sein müssen, dann werden wir eben zwei Wochen vorher präsent sein, so flexibel sind wir. Wir haben unsere Planungen fertig.
Viele Kunden wollen neue Ware einkaufen, und ein Vorteil unserer Preislagen ist, dass die Kunden aus Erfahrung wissen, dass die Garnituren dann auch laufen. Entscheidend wird während der Besuche hier in unserer Hausmesse sein, die Abstandsregeln einzuhalten und respektvoll damit umgehen. Das betrifft auch unsere Gastronomie, wo wir uns gut beraten lassen, was wir tun müssen, damit alles sicher ist und die Kunden – aber auch unsere Mitarbeiter – sich hier wohlfühlen. Das erwarten die Kunden jetzt von uns, das ist die Aufgabe, die man im Moment hat. Das ist auf einer Hausmesse natürlich einfacher umzusetzen als in einerm Messezent- rum.

MM: Gibt es ganz aktuell von Ihrer Seite noch weitere Konzepte, um das Geschäft anzukurbeln?

Greve: Ja, natürlich. Als die Möbelhäuser geschlossen hatten, haben wir in unseren polnischen Werken die Betriebsferien vorgezogen, so dass wir zu dem eigentlichen Termin im Juli jetzt durchproduzieren werden. Wir können deswegen bis zum 30.9. allen Kunden, die uns in die Werbung nehmen, für die Werbemodelle 15 Tage Lieferzeit garantieren. Das kommt im Moment sehr gut an, denn das bringt dem Handel Liquidität und Planungssicherheit. Für uns birgt das zwar auch ein Risiko, denn wir sind jetzt darauf angewiesen, dass sich die Kunden auf uns konzentrieren. Schließlich brauchen wir für diese Zeit im Juli auch die entsprechenden Aufträge. Aber wie gesagt, das kommt super an, weil das kaum ein anderer Lieferant bieten kann. Davon profitieren wir, aber eben auch der Handel und nicht zuletzt unsere Lieferanten, die dadurch ebenfalls Aufträge kriegen – wir sitzen eben alle in einem Boot. Wenn eine Schraube fehlt, kann die Garnitur nicht ausgeliefert werden. Aber wir haben unsere Einkaufskette gut im Griff. Ab Oktober hoffen wir, dass alles wieder in normalen Fahrwassern läuft. Warenverfügbarkeit ist eben im Moment das Wichtigste, was es gibt. Die Kunden, die jetzt acht Wochen zuhause saßen, haben keine Lust, noch länger auf ihre Möbelbestellung zu warten, die wollen kaufen und so schnell wie möglich beliefert werden. Deswegen ist diese 15-Tage-Garantie ein tolles Argument.

MM: Wie sehen Sie die mittel- und langfristigen Perspektiven für die Möbelbranche?

Greve: Natürlich wird dieses Jahr schwer, nachdem die Möbelhäuser sechs Wochen geschlossen hatten. Aber ich glaube, dass unsere Branche – wenn man das überhaupt so sagen darf – von der Situation auch profitieren kann, beispielsweise durch sich langfristig verändernde Trends. Weil die Menschen sich ihr Zuhause schöner machen wollen. Das merkt man in ganz vielen Gesprächen. Die Menschen sind inzwischen wieder gerne zuhause, dort können sie sich ohne Gesichtsmaske bewegen, sie können ihre Freunde ein- laden. Das ist in der Realität angekom- men, auch langfristig. Ich habe zuerst auch gedacht, dass nach der Corona- Krise wieder alles so wird wie vorher. Die Realität ist aber, dass wir damit rechnen müssen, uns mindestens anderthalb Jahre mit einem Mundschutz in der Öffentlichkeit zu bewegen, bis es vielleicht eine Impfung gibt. 
Das heißt aber auch, dass die Menschen sich nicht wohlfühlen – in Kneipen und Restaurants, überall da, wo wir eigentlich immer mit Freude waren. Das merkt man ja an sich selbst. Alle sind verunsichert, wie man miteinander um- zugehen hat, es riecht nach Desinfektionsmittel, auf dem Weg ins Lokal muss man einen Mundschutz tragen ... In der Zukunft kocht man vielleicht eher wieder in Ruhe selber zuhause, oder man lässt sich das Essen bringen – das sind auch die neuen Konzepte von Restaurants. Deswegen glaube ich, dass alles, was jetzt im Fokus steht, etwas mit dem Zuhause zu tun hat. Das ist eine Riesen- Chance für die Möbelbranche, hier ebenfalls wieder in den Fokus der Verbraucher zu geraten. Und ich glaube auch, dass das länger anhalten wird. Weil die Leute merken, wie angenehm es ist, sich zuhause so bewegen zu können, wie sie das möchten.

MM: Herr Greve, herzlichen Dank für das Gespräch. 

Arnd Schwarze

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